Die visuelle Ästhetik im Schaffen von Burhan Doançay (1929 – 2013) wird von den Spuren des Alltags geprägt: Graffiti-verzierte Gebäudewände, zerrissene Plakate in U-Bahn-Stationen und Slogans in zahlreichen Sprachen an den Wänden verschiedenster Städte. Sein Aufenthalt in Israel im Jahr 1975 markierte den Anfang seiner fotografischen Dokumentation von Mauern weltweit. Das Ergebnis dieses Lebensprojekts sind 40.000 Fotografien aus 114 Ländern und ein einzigartiges Archiv. Diese Fotografien dienten Doançay als Grundlage für sein gezeichnetes und gemaltes Werk, das Wände rund um den Globus darstellt, zuschneidet, überarbeitet und neu interpretiert. Aus der Beobachtung von Mauern, ihrer Aneignung und künstlerischen Transformation ergibt sich ein Paradoxon und gleichzeitig eine humanistische Botschaft: Mauern, die dazu errichtet wurden, zu trennen, werden zu Trägern einer gemeinsamen Sprache der Menschheit.

Im Jahr 2021 erhielt das Kunst Museum Winterthur mehrere Werke von Burhan Doançay als Geschenk. Da auch das Musée d art et d histoire in Genf eine umfangreiche Werkgruppe des Künstlers entgegennahm, organisieren nun beide Institutionen eine Ausstellung, die sich auf ihre jeweiligen Neuzugänge konzentriert. Während die Arbeiten des Künstlers bereits im Herbst/Winter 2023 in Genf zu sehen waren, wird das Kunst Museum Winterthur dies in der ersten Jahreshälfte 2024 präsentieren. Die beiden Häuser veröffentlichen gemeinsam einen zweisprachigen Ausstellungskatalog, der dazu beitragen soll, den bedeutenden türkischen Künstler auch hierzulande einem breiteren Publikum bekannt zu machen und somit dazu beizutragen, metaphorische Mauern – oder im schweizerischen Fall Gräben – zu überwinden.