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Münster: Jon Pylypchuk Hopefully, I will live through this with a little bit of dignity 2005 Mixed Media / Mischtechnik 203 x 800 x 800 cm / 80 x 315 x 315 ins Installation dimensions variable Courtesy The Saatchi Gallery, London Münster: Jon Pylypchuk Don't waste your time thinking about me 2005 Mixed media on panel / Mischtechnik auf Paneel 243,8 x 121,9 cm / 96 x 48 ins Private Collection, London Courtesy Asher Silver Collection, London Münster: Jon Pylypchuk You are too close to dropping off now 2006 Mixed media: wood, wood glue, watercolour, spray paint / Mischtechnik: Holz, Klebestoff, Wasserfarbe, Sprühfarbe 91 x 121 x 167 cm / 35 7/8 x 47 5/8 x 65 3/4 ins Courtesy Asher Silver Collection, London Münster: Jon Pylypchuk I will wait for you to get up / you will wait for a long time 2006 Mixed media on panel / Mischtechnik auf Paneel 198 x 198 cm / 78 x 78 ins Courtesy The Saatchi Gallery, London

Münster: Jon Pylypchuk

http://www.muenster.de/stadt/ausstellungshalle/ausstellungen-aktuell.html


07.02.2009 - 03.05.2009
Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster Hafenweg 28, 48155 Münster Während der Öffnungszeiten: Tel. 02 51/ 6 74 46 75 Fax 02 51/ 6 74 46 85 Öffnungszeiten: Di - Fr 14 - 19 Uhr Sa - So 12 - 18 Uhr
Jon Pylypchuk (*1972 Winnipeg in Kanada, lebt in Los Angeles) steht längst auf der Watchlist des internationalen Kunstbetriebs. 1996 gründet er zusammen mit Marcel Dzama und anderen Kollegen das inzwischen legendäre Künstlerkollektiv „The Royal Art Lodge“. Die Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster eröffnet am Freitag, dem 8. Februar eine Ausstellung mit 25 Gemälden, Zeichnungen, Collagen und plastischen Arbeiten. International und hochkarätig liest sich auch die Liste der Leihgeber, unter den sich u.a. die Saatchi Gallery, die Alison Jacques Gallery in London und die Friedrich Petzel Gallery in New York befinden.
Mit dieser ersten Ausstellung im Jahr 2009 ist in der AZKM eine Position ausgewählt worden, die das Wechselverhältnis von Humor und Ernsthaftigkeit in der medialen gesellschaftlichen Wirklichkeit untersucht. Die flexible Ausstellungsarchitektur im fünften Stock des Speichers II hat einmal mehr eine ortsbezogene individuelle Werkschau ermöglicht. Die AZKM setzt damit die Reihe der Präsentation von Einzelpositionen fort, in denen international erfolgreiche Künstlerinnen und Künstler – darunter Phil Collins, Ugo Rondinone, Monika Baer, Laura Owens und Markus Schinwald – neuartige Raumkonstellationen erproben. Diese intensive Auseinandersetzung zwischen Künstler, Kurator und Ausstellungstechniker wird in der AZKM gepflegt und führt immer wieder zu installativen Konzepten von musealer Qualität.
Mit dieser Werkschau eröffnet die AZKM die erste nicht-kommerzielle Einzelausstellung des Künstlers in Deutschland, nach der Galerie-Ausstellung bei Sies + Höke in Düsseldorf im Jahr 2007.
Die von der Direktorin Dr. Gail Kirkpatrick kuratierte Ausstellung zeigt verstörend wirkende gesellschaftliche Szenarien von mitunter kuschligen Kreaturen, die sich zusammengetan haben, um sich als Gruppe zu behaupten. Das skurrile Wechselspiel von Kunstwerk, Sprache und Humor wirkt wie ein Sog und zieht den Betrachter hinein in ein komplexes Wechselspiel von vielfältigen Strategien trotziger Selbstbehauptung. Die Werke von Pylypchuk sind trashig, niedlich, krass, liebenswert, ekelerregend, aufregend und bitter ernst. In seinen Zeichnungen, Collagen und Assemblagen und Installationen konfrontiert er das Publikum mit den ernüchternden, trostlosen, manchmal verstörenden Aspekten eines sonderbaren Alltags. Die Versammlungen verrückter Kreaturen, angesiedelt zwischen Tier und Mensch, wecken gleichermaßen Gefühle von tiefer Solidarität wie verständnisloser Abneigung. Seine Fantasiewelt drängt sich auf, jegliche Distanzierung aufhebend und stößt im nächsten Moment den Betrachter ab, um den traurigen Bruch zu vollziehen. Ein Mechanismus bricht sich Bahn.
Dabei bedient sich der Künstler einer verschlagenen, teuflischen Ironie und verbindet sie mit einem mitunter gruseligen Humor. Die listige Verspieltheit hat zunächst einmal wenig mit emanzipatorischer Ernsthaftigkeit zu tun. Doch verblüffend aufrichtig und schier entwaffnend schildert Pylypchuk die Schwierigkeit des Menschseins in der unmittelbaren Konfrontation mit dem Alltag. Dem Alltag einer Vergesellschaftung in der Krise.
Pylypchuks Collagen bestehen aus vielfältigen Materialien, aus Stofffetzen alter Kleider, Federn, Papierstücken, aus Dingen, die funkeln, aus Stöcken, Zwirnfäden oder Haufen klebriger Substanzen. Mit feinen Strichzeichnungen skizziert, entsteht ein surreales Szenario. Strahlende, bisweilen geradezu atemberaubende und wunderschön komponierte Bilder zeigen öde Landschaften, die von einsamen gnomenhaften Figuren bevölkert werden. Der hybride Charakter erinnert oft an räudige, bärenhafte Hunde. Doch durch ihre ambivalenten Interaktionen und witzigen Sprüchen werden manchmal fast zu existentialistischen Philosophen. Die Titel der Werke sind bezeichnend und scheinen tiefgründig. Eine Kollage von 2007 zeigt zwei Freaks, die in einer gottverlassenen Gegend ihre Kippen rauchen, während von der oberen Kante des Bildes ein zähflüssiges weißes Zeug nach unten läuft. Der Titel der Arbeit lautet: this is fake rain and you are a fake (deutsch: Der Regen ist nicht echt und von dir kommt auch nur heiße Luft.)
Die Arbeiten von Jon Pylypchuk wachsen scheinbar im Format. Oft arbeitet er in raumgreifenden Installationen, ganz als ob sich seine Figuren aus der Zweidimensionalität befreit hätten und im Hochmut menschlicher Interaktion die Wahrheit suchen würden. Dabei verlassen die marionettenartigen Tier-Charaktere selten den Habitus verschlissener, geschlagener Kuscheltiere. Oft fehlen ihnen ein Arm oder zwei Beine, sie leiden an einer Behinderung oder wirken erbärmlich, demütig und unterwürfig. Manchmal spiegeln ihre Aktivitäten die ambivalente Seite der Macht, sie wirken heroisch und gleichzeitig gehemmt.
Neben ihrer aufrechten, zweibeinigen Haltung fallen die vieldeutigen Details ihrer Kleidung auf, die mit Krawatten, Manschetten, Socken, Anzugknöpfen und T-Shirts und anderen Kurzwaren vor allem auf Herrenkonfektionen rekurrieren und sie gleichzeitig persiflieren. Doch der Betrachter muss sich nicht auf wilde Auftritte gefasst machen. Das sexuell aufgeladene Verhalten, das in den Szenarien aggressiv und zuweilen sensationslüstern ausagiert wird, verbleibt im Selbstzweck. Für Pylypchuk ist die Gewalt konzentriert auf den unbeholfenen Ausdruck, der sich in der Hoffnung manifestiert, als Mensch in Würde zu überleben, oder allgemeiner formuliert: im Streben nach Glück in einer instabilen Welt nicht zu verkommen.
Pylypchuk bleibt dabei ein Geschichtenerzähler. Seine mit bitter-naiven Szenen berichten von glücklich-unglücklichen Hybriden, heroischen Verlierern, mutigen Machtlosen und einer Gesellschaft einsamer Kreaturen. Und dennoch sind die Mitglieder von Pylypchuks „Straßengang“ als Individuen durchdrungen dem Willen zu überleben. Sie schließen sich zusammen, um ihre Misere zu überwinden. Das Panorama einer Sondergesellschaft wird zum Sinnbild universeller Gefühle wie Ängstlichkeit, Zweifel, Liebe, Begierde, Zurückweisung und Schmerz. Doch letztlich sind sie es, die den Sarkasmus in der Authentizität zu übertrumpfen in der Lage sind.
Pylypchuks Kunst ist als radikale Haltung innerhalb der zeitgenössischen Zeichnung, Malerei und Installation zu positionieren. Seine Werke erinnern unter anderem an Mike Kelley, Paul McCarthy, Philip Guston und sogar an manche Arbeiten von Picasso, also an Künstler, für die „die unausweichliche Neigung des Körpers zur Sekretion eine Quelle von Lust, Leiden und Heiterkeit ist, und die Kunst machen, die animalisch und unordentlich ist und doch irgendwie leicht.“ Im Vergleich zu seinen Vorgängern rückt Pylypchuks Unordentlichkeit aber die gnadenlose interaktive Dynamik der Gesellschaft stärker in den Vordergrund: Seine Kunst spricht von sozialer Ungerechtigkeit, von Mobbing, Vorurteilen und Unterdrückung. Und trotzdem gelingt es Pylypchuks Arbeiten immer wieder, den Betrachter zum Lachen zu bringen, wenn er eigentlich weinen möchte.
[Pressetext]

Eingetragen von: admin
am: Montag, 16.03.2009
Letzte Änderung: Montag, 23.03.2009