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Berlin: Paul McCarthy © All rights reserved Berlin: Paul McCarthy © All rights reserved

Berlin: Paul McCarthy

10 out of 10 stars (1 vote)

http://schinkelpavillon.de/de/ausstellungen/aktuell-vorschau/paul-mccarthy/


12.09.2015 - 22.11.2015
Schinkel Pavillon e.V. Oberwallstraße 1 10117 Berlin
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht ein synthetisches Replikat des Künstlers: “Horizontal” (2012) ist eine lebensgetreue Nachbildung des nackten Paul McCarthys in horizontaler Lage auf einer Tisch-Installation, die Gesten des Existenziellen, Obsessiven und Voyeuristischen umkreisen. Die Arbeit knüpft an eine frühere Ganzkörper-Skulptur des Künstlers an, “Paul Dreaming, Vertical, Horizontal” (2005). Der bloße Körper erscheint hier nun zugleich als Subjekt und Material, zeigt die Silikon-Haut detailliert jede Falte und Einbuchtung, die Farbe jedes Hautdetails und das Echthaar jede Spur des Lebens – und bleibt dabei doch leere Form, die Repräsentationshülse eines modellierten Avatars. Eine alte Tür aus dem Chefbüro der Bank of America in Downtown L.A., auf welcher der reproduzierte McCarthy mit geschlossenen Augen liegt, unterstreicht den Aspekt des Materiellen und suggeriert zugleich eine Membran, die über reale Existenz, Zeit(losigkeit) und Traum entscheidet.

(von http://schinkelpavillon.de/de/ausstellungen/aktuell-vorschau/paul-mccarthy/)

Eingetragen am: Samstag, 03.10.2015
Letzte Änderung: Sonntag, 04.10.2015


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Hinter der Baustelle geht es weiter 5 von fünf möglichen Sternen

Geschrieben von: Hans-Joachim Julius Erdmann, 04.10.2015 11:27

Zur Zeit sind diese besonderen Ausstellungsräume durch benachbarte Baustellen nur eingeschränkt erreichbar: wenn man nicht weiß, wo sie sich befinden, irrt man zwischen Gerüsten und Baucontainern hinter dem Kronprinzenpalais herum und sucht den Eingang.
Wenn man ihn dann mit etwas Ausdauer gefunden hat, wird man mit einer kleinen feinen Ausstellung belohnt.

Im ersten Stock liegt in der Mitte des Raumes auf einem selbst gezimmerten Tisch, dessen Tischplatte offenbar aus einer gebrauchten Tür besteht, ein nackter Mann, der sehr lebendig aussieht. Nur aus allernächster Nähe sieht man, dass es sich um eine künstliche Figur handelt. Aus dem dem beigegebenen Blatt erfahre ich, dass es sich um ein lebensgroßes Abbild des Künstlers selbst handelt. Das ändert jedoch nichts daran, dass ich das Gefühl habe, einem echten Menschen gegenüber zu stehen. Es zeigt sich daran, dass ich mich unwohl fühle, wenn ich den Körper anstarre. Ich vermeide den Blick auf die Genitalien und die (geschlossenen) Augen und fühle mich irgendwie beobachtet. Anscheinend greifen die kulturellen Ge- und Verbote nicht nur für Mitmenschen, sonder auch für deren Abbilder.

Das diffuse Gefühl, einem nackten Mann beim Liegen zuzusehen führt dazu, dass ich nicht den Mann genau ansehe, sondern dessen Umgebung, die Tischplatte, die Konstruktion, auf der er liegt, den Raum in dem sich die Konstruktion befindet. Es ist, als störte ich ihn bei einer privaten Aktivität, als sei ich in seine Meditation hineingeplatzt. Ich bin leise als hätte ich Angst, ihn zu wecken oder zu stören.

Ich stelle mir vor, wie es wäre, in einer Ausstellung zu sein mit einem lebensgroßen nackten Abbild meiner selbst. Mir wäre es sicherlich peinlich, mein äußerliches Selbst mit den von mir empfunden Makeln zu präsentieren. Ja ich denke, vielleicht würde ich gar das Abbild als ein Teil von mir selbst betrachten wenn es äußerlich so eine Nähe zu mir aufwiese.

Wie dem auch sei, die Installation hat auch etwas von einer Aufbahrung. Der Tote, der vor der Beerdigung noch einmal sichtbar gestaltet wird. Vielleicht in dem Moment, nachdem die Bestatter die Leiche gewaschen haben bevor sie sie anziehen.

Auf dem Boden liegt die zweite Arbeit McCarthy's, „Rubber Jacket H, Horizontal“. Offensichtlich handelt es sich dabei um eine leere in sich zusammengefallene Abgussform aus Silikon. Vielleicht ist das der Abguss, aus dem die auf dem Tisch liegende Figur gefertigt wurde. Sie liegt in Richtung Ausgang (– oder Eingang) und wirkt so, als hätte die Figur auf dem Tisch auf dem Weg zu diesem ihre Hülle abgestreift, einen Gummimantel, den man am Eingang mangels Garderobe liegen lässt.

Im Erdgeschoss, in den Ruinen der ehemaligen „Schinkel Klause“ ist eine Videoinstallation mit einem bemalten Holztisch zu sehen. Auf den Monitoren sieht man eine nackte junge Frau sitzen während ihr Umriss mit Graphitstift immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Sitzfläche übertragen wird. Der Tisch in der Mitte der sechs Monitore ist mit eben solchen Graphitlinien überzogen, so dass es sich wohl um den Untergrund handelt, auf dem die Frau im Video sitzt. Es sind ihre Umrisse.

Schließlich sind – offenbar in den Toiletten-Ruinen - einige großformatige fototechnische bunt-poppige Digitaldrucke von Frauenköpfen zu sehen. Offenbar handelt es sich 3D Gesichtsscans. Vielleicht gehören sie zu dem Frauenkörper, den man in den Videos gesehen hat. Sie wirken psychedelisch in ihren Regenbogenfarben aber ansonsten künstlich und unwirklich. Mir fällt dazu Cyborg ein. Sie strahlen die Unnahbarkeit einer Schaufensterpuppe aus.

Diese Ausstellung, für die eine freiwillige Spende von drei Euro erbeten wird, ist einer der zur Zeit spannendsten Ausstellungen von Berlin. Sowohl Ort als auch Inhalt kann ich uneingeschränkt empfehlen.
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