Die Re-Inszenierung alltäglicher Ästhetik aus dem Grenzbereich des Ästhetischen: Werbeprospekte beliebiger Supermärkte sind die Hauptakteure der jüngsten Fotografien Ingo Mittelstaedts, in der der Künstler an seine 2011 entstandene Serie Chromas anknüpft. Vor strukturierter Leinwand in klassischer Studiosituation radikal in Szene gesetzt, werden grelle Ankündigungen preiswerter Fleisch- und Wurstwaren, Feuerwerkskörper und Waschmaschinen durch feine Gesten und künstlerische Interventionen gebrochen. Vor den schräg drapierten Seiten entspannen sich filigrane Strukturen aus vorrangig organischem Material, das kaum wahrnehmbar Raum markiert und ein Netz an formalen wie inhaltlichen Korrespondenzen schafft. So sind die großformatigen Aufnahmen von einem künstlerischen Spiel mit Bild-im-Bild-Bezügen, Vanitas-Momenten und sprachlichen Versatzstücken geprägt, das weniger einem konsumkritischem Impuls folgt als vielmehr das transformative Potential der Fotografie für eine medienästhetische Reflexion öffnet.
Nicht weniger radikal treten die kleinformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien auf, deren formale Reduktion die Sprache der Werbeprospekte konzentriert und als Phrasen entlarvt. Ins Bild ragende Hände fungieren dabei als Präsentationsgestus und Bindeglied zwischen Bild und Betrachter. Sie akzentuieren die Zeitlichkeit des fotografischen Moments und dienen wie beiläufig als scharfsinnige Rahmung des Übersehenen alltäglicher Absurdität.

Ingo Mittelstaedt (1978 geboren in Berlin) studierte an der HBK Braunschweig. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen gezeigt. Zur Zeit lebt und arbeitet Mittelstaedt als Preisträger des Kunstvereins Hannover in der Villa Minimo, Hannover. Auf der abc - art berlin contemporary 2014 hat Mittelstaedt eine Solo Präsentation bei der Galerie koal. Ab 2015 wird Mittelstaedt als Stipendiat für ein Jahr am ISCP Programm in New York teilnehmen. Im Frühjahr 2016 werden seine Werke in einer Einzelausstellung im Kunstverein Hannover zu sehen sein.

Christine Gückel / Berlin / 2014