Nürnberg: Gesichter zwischen Figur, Porträt und Maske
20.03.2015 - 21.06.2015
Staatliches Museum für Kunst und Design in Nürnberg Klarissenplatz 90402 Nürnberg
"Das Gesicht fasziniert die Menschen immer am meisten", erklärte Tony Oursler und stellte von Beginn an das Gesicht des Menschen in den Mittelpunkt seiner Arbeiten. Als Anfang der neunziger Jahre LCD Miniprojektoren verfügbar waren, projizierte er Gesichter direkt auf kissenartige, der menschlichen Physiognomie entsprechende Objekte, die ihm als Träger dienten. In welchen Nuancen und Ausrichtungen allein das Motiv des menschlichen Gesichts heute Einsatz findet, zeigen – an dieser Stelle als Beispiele – etwa die überpersönlichen, modellhaften Figuren von Thomas Schütte, Cindy Shermans fotografische Rollenbilder, die Porträts einer Marlene Dumas, von Candice Breitz oder Tony Oursler, Bruce Naumans Selbstversuche, die Familienporträts einer Rosemarie Trockel, die Gesichtsschemata von Julian Opie oder die Paßbildfotos eines Thomas Ruff. Die in den Werken angestimmten Themen sind oftmals von existentieller Bedeutung, etwa die Frage nach der eigenen Identität wie bei Rony Horn, nach der Kraft eines emotionalen Ausbruchs wie bei Sam Taylor Wood, nach der psychischen Verfasstheit wie bei Bas Jan Ader oder Arnulf Rainer, oder die Konfrontation mit Tod oder Vergänglichkeit wie bei Christian Boltanski oder Bill Viola.
Heutzutage tritt in der Kunst das Gesicht vielfältig in Erscheinung, sei es als Videobild, als Fotografie, als Skulptur, als Zeichnung oder in Installationen. Doch dies war gerade in der jüngeren Kunstgeschichte nicht immer so, wie es der radikale Umschwung der Kunst in den sechziger Jahren zeigt, als sachlichen und objektivierbaren Fragestellungen der Vorrang gegeben wurde, um Kunst in der Gesellschaft zunächst teilbar sein zu lassen und auch für alle zugänglich zu gestalten. Wurde damals jegliche Form der menschlichen Figur prinzipiell abgelehnt, kehrten in den achtziger Jahren narrative und emotionale Werkaspekte in die Kunst zurück und damit auch das Gesicht als dominantes Element der menschlichen Figur. Dieses Motiv erlebt dann seit den neunziger Jahren eine wahre Explosion.
Das Gesicht ist dabei ein Motiv, in dem sich wie ein Scharnier zwei Bedeutungsebenen verschränken: Einerseits ist das Gesicht das Körperteil des vorderen Kopfes mit den Sinnesorganen Auge, Nase und Mund und kann als Pars-Pro-Toto gut auf den ganzen Menschen verweisen. Andererseits beschreibt das Gesicht wie in der Wortbedeutung treffend enthalten auch das wahrgenommene Gegenüber, die „Gesichte" als Vorstellungsbilder. Das Gesicht ist Zentrum vor allem der visuellen Wahrnehmung. Als „wahres Gesicht" mag es vermeintlich den Charakter einer Person offenbaren oder auch den Gemütszustand einer Person, die ein „Gesicht macht", wiedergeben.
Die durch das Neue Museum ausgerichtete Ausstellung stellt von heute ausgehend die jeweils vielfältigen Einsatzweisen dieses Motivs in der zeitgenössischen Kunst in monografischen wie thematischen Räumen vor.
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am: Mittwoch, 29.10.2014