2
Skip to Content

Home > Deutschland > Baden-Württemberg > Stuttgart: SIMPLY VIDEO. Bewegte Bilder aus der Kunsthalle Bremen

< Previous | Next >


Stuttgart: SIMPLY VIDEO. Bewegte Bilder aus der Kunsthalle Bremen

http://www.kunstmuseum-stuttgart.de


08.05.2010 - 22.08.2010
Kunstmuseum Stuttgart Kleiner Schlossplatz 1 70173 Stuttgart Telefon: +49 (0) 711 – 216 21 88 Fax: +49 (0) 711 – 216 78 20 Öffnungszeiten Di, Do bis So: 10 – 18 Uhr Mi und Fr: 10 – 21 Uhr Mo: Geschlossen Feiertagsregelung: Karfreitag, Heilig Abend und 1. Weihnachtsfeiertag, Silvester und Neujahr: geschlossen. An allen übrigen Feiertagen ist das Museum von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Dies gilt auch für Ostermontag und Pfingstmontag.
Vor bald 50 Jahren experimentierten bildende Künstler erstmals mit Videokamera und
Monitor. Seitdem ist das Medium Video aus der zeitgenössischen Kunst nicht mehr wegzudenken.
Mit einer Auswahl raumgreifender Videoinstallationen aus der bedeutenden
Sammlung der Kunsthalle Bremen widmet sich das Kunstmuseum Stuttgart erstmals in
einer großen Sonderausstellung ausschließlich den Möglichkeiten des bewegten Bildes.
Die früheste Arbeit in der Ausstellung stammt von dem Videopionier Peter Campus. Die
Amerikanerin Diana Thater verwandelt den Zentralraum im Herzen des Kubus mit der
Mehrfachprojektion »Delphine« in ein stockwerkübergreifendes Aquarium. Eigens für
die Stuttgarter Ausstellung inszeniert der Schweizer Künstler Yves Netzhammer mithilfe
seiner Animationsfilme und Wandzeichnungen einen ebenso fesselnden wie rätselhaften
Bilderkosmos. Außerdem zu sehen sind Werke des südafrikanischen Zeichners William
Kentridge, des Amerikaners Jon Kessler sowie der jungen deutschen Künstler Ulla von
Brandenburg, Bjørn Melhus, Astrid Nippoldt und Clemens von Wedemeyer.
Anders als das Medium Film verfügt die Videotechnik über die Möglichkeit, Aufnahmen
ohne zeitliche Verzögerung live zu übertragen. Peter Campus bedient sich bei
seiner Installation »mem« von 1974/75 dieses so genannten Closed-Circuit-
Verfahrens und versetzt den Betrachter damit in die Rolle des gestaltenden Akteurs.
Mit dem eigenen schemenhaften Videobild konfrontiert, erlebt man die Differenz zwischen
Realität und medialem Abbild am eigenen Leib.

Als Vertreter einer jüngeren Künstlergeneration nutzt auch der Amerikaner Jon
Kessler die Closed-Circuit-Technik, die heute vor allem mit Videoüberwachung in
Verbindung gebracht wird. In Kesslers kinetischer Videoskulptur »Random Acts of
Senseless Violence, Part I« (2007) kreisen ratternde Scheiben, reflektierende Folien
und pendelnde Lampen vermeintlich sinnlos um sich selbst. Mehrere Kameras nehmen
das Szenario auf und geben die flackernden, undeutlichen Bilder gleichzeitig auf
einem Monitor wieder. Mit voyeuristischem Blick kontrollieren die Überwachungskameras
die hyperventilierenden Gerätschaften und generieren verzerrte Bilder, die
nichts anderes zeigen als die Verdoppelung einer leer laufenden Realität.
Die Reproduzierbarkeit von Medienbildern und menschlichem Erbgut wird in Bjørn
Melhus’ Videoinstallation »Again & Again (The Borderer)« (1998) zum zentralen
Thema. Melhus, in der Rolle eines modernen Homunculus, vervielfältigt sich auf acht
Monitoren solange selbst, bis sich die Replikanten gegen den eigenen Schöpfer wenden.
Damit reflektiert er nicht nur die Manipulierbarkeit der computergenerierten
Bilderwelt, sondern auch ein Menschenbild, das im Zuge von Körperkult und Leistungsoptimierung selbst vor der Klontechnik nicht Halt zu machen scheint.
Über Aufnahmen von wilden und domestizierten Tieren beleuchtet die Amerikanerin
Diana Thater die Differenz von Natürlichkeit und Künstlichkeit. Für die Arbeit »Delphine
« von 1999 arbeitete sie erstmals mit frei lebenden Tieren und fing faszinierende
Unterwasserbilder der Meeressäuger ein. Delphine sind für Thater ein »Modell,
das Flüssige zu denken«, eine Vorstellung, die sie auf die Architektur überträgt:
Dank ihrer Mehrfachprojektion weitet sich der Ausstellungsraum zum fließenden
Bildraum, in den der Betrachter förmlich eintaucht.
Auf rund 400 Quadratmetern inszeniert der Schweizer Yves Netzhammer seine Videoinstallation »Die Anordnungsweise zweier Gegenteile bei der Erzeugung ihres
Berührungsmaximums« (2005). Seine Wandzeichnungen und Animationsfilme sind
von einer reduzierten, artifiziellen Bildsprache geprägt, die Befremden und Unbeha3
gen auslöst. Wie im Traumzustand sind Schwerkraft und Materialität der Dinge aufgehoben,
unverbundene Szenen gehen assoziativ ineinander über, Motive finden sich
in fremden Kontexten wieder. Eine gesichtslose Gliederpuppe irrt verloren durch die
sterilen Settings und versucht sich einem Gegenüber anzunähern, mit dem sie sich
konfrontiert sieht.
Ebenfalls durch Zeichentrickfilme wurde der Südafrikaner William Kentridge bekannt,
der mit der filmischen Anamorphose »What Will Come (has already come)« (2007)
und dem Video »Felix in Exile« (1994) in der Ausstellung vertreten ist. Seine Auseinandersetzung
mit Erinnerungsprozessen und Verdrängungsstrategien innerhalb
der afrikanischen Gesellschaft findet seine Entsprechung im Formalen: durch das
kontinuierliche Zeichnen, Ausradieren und Neuzeichnen seiner Motive bauen die Bilder
immer auf den vorangegangenen auf – stets bleiben die Spuren der Vergangenheit
sichtbar.
Geschichtsbewältigung und das Erbe politischer Systeme thematisiert auch Astrid
Nippoldts Videoinstallation »Grutas« (2006), benannt nach einem litauischen Skulpturenpark
der besonderen Art: mit dem Zusammenbruch des Ostblocks fanden hier
demontierte sowjetische Propagandaskulpturen aus ganz Litauen ihre letzte Ruhestätte.
Angesiedelt zwischen Mahnmal, Gruselkabinett und Freizeitpark fängt Nippoldt
in dokumentarischen Bildern die Ambivalenz dieses Ortes ein.
Mit seinem Film »Otjesd« (dt. Weggang, 2005) macht Clemens von Wedemeyer
deutlich, dass Ost und West noch längst nicht zu einem gleichberechtigten Miteinander
gefunden haben. In einem Ostberliner Wald reinszeniert der Künstler mit einer
einzigen ungeschnittenen Kamerafahrt ein kafkaeskes Szenario, das er vor dem
deutschen Generalkonsulat in Moskau beobachtet hat: Schlangen vor Schaltern und
Sicherheitsschleusen, windige Dienstleister für Reiseformalitäten, umherirrende
Menschen, denen der Grenzübertritt verwehrt wird und die sich der Willkür und
Machtdemonstration zweier bürokratischer Systeme ausgeliefert sehen.

Inspiriert von den im 19. Jahrhundert beliebten Tableaux Vivants zeigt sich die dreiteilige
Videoinstallation »Der Brief« (2004) von Ulla von Brandenburg. Zweieinhalb
Minuten lang gruppieren sich verschiedene Personen reglos in theatralischen Posen
um die Figur des titelgebenden Brieflesers und lösen so Assoziationen und Erzählungen
im Kopf des Betrachters aus.
Mit zehn exemplarischen Positionen geht die Ausstellung »Simply Video« der Frage
nach der Wahrnehmung von Eigenem und Fremdem, der Konstruktion von Realität
und Fiktion, von Vergangenheit und Gegenwart nach, der sich die Künstler auf individuelle
und facettenreiche Weise annähern. Möglich wurde die Ausstellung durch das
Projekt »Noble Gäste« der Bremer Kunsthalle, die im Zuge von Umbaumaßnahmen
dem Kunstmuseum Stuttgart Teile ihrer herausragenden Kunstsammlung zur Verfügung

Eingetragen von: admin
am: Mittwoch, 05.05.2010